12 Tage vor Abreise. Kleine Gedanken, die sich zu einem Mosaik zusammenfügen.

12 Tage vor Abflug macht man sich einfach seine Gedanken. Über Flieger, die man verpassen könnte. Über Abschiede, die mit vielen Tränen verlaufen werden. Über schwierige Situationen, die man auf einem fremden Kontinent voller fremder Menschen meistern muss. Über die Menschen, die man zurücklässt.. wissentlich, dass man ein ganzes Jahr im Leben des kleinen Bruders verpasst und die alltäglichen kleinen Anekdoten, die wir Mädels in der Schule erzählten, weniger werden.

Ich könnte teilweise stundenlang (bei schönstem Wetter!) im Bett liegen und meine Lieblingsserien auf DVD schauen. Oder lange nicht getragene Kleidungsstücke aus der hintersten Ecke des Schrankes hervorkramen. Oder alte Theaterkarten ausgraben und mich an die Vorstellungen erinnern. Oder mich mit der fast vergessenen Faschingsschminke anmalen. Oder aus dem Fenster schauen und eine alte CD hören. Oder auf meinem Schreibtisch sitzen und mir denken, dass ich wirklich aufräumen sollte. Es sind die kleinen Dinge, die so kurz vor Abreise am meisten Spaß machen.

Erst gestern habe ich einem mir sehr wichtigen Menschen gestanden, dass ich mir Gedanken mache. Dass meine Abreise ein Schlusspunkt in unserer unstabilen Beziehung zueinander darstellt. Mir wurde versichert, dass wir Zeit meines Lebens Kontakt haben werden, sofern ich das wünsche.
Auch das gehört zum Abschied: Man bekommt ein Gefühl für die Tiefe von Beziehungen. Freundschaften, die für die Ewigkeit bestimmt waren, bekommen erste kleine Risse, weil man sich nicht mehr täglich sieht.
Bekanntschaften, die eine untergeordnete Rolle spielten, werden durch Unterstützung und letzten gemeinsamen Erlebnissen auf einmal ganz groß.
Kameradschaften entwickeln sich zu unerwarteten Ansprechpartnern in jeder Stimmungslage.
Ex-Freunde und ähnlich unangenehme Kontakte sind total egal. Sind sowieso bald Geschichte.
Und manche Verbindung, von der man dachte, dass sie an diesem Punkt endet, soll eben doch noch eine lange, lange Zeit halten.
Ziemlich interessant, was da gerade vorgeht.

Dann gibt es noch diverse Frauenprobleme. Zum Beispiel trug ich heute mein paar Lieblingsschuhe. Nicht auf der Straße, dafür sind sie viel zu schick. Sondern zu Hause. Weil mich dieser Gedanke verrückt macht, diese Schuhe in Deutschland zurückzulassen. Ich werde mir wohl in New York das ein oder andere paar ebenso toller Schuhe kaufen müssen. In diesem Moment sehe ich mein Wochengehalt flöten.

Man weiß eben nicht, was einen erwartet. Wie sich das eine oder andere entwickelt. Und wer denkt, ich mache mir Gedanken über unwichtige Details: Es sind  eben doch die kleinen Dinge, die den Unterschied machen. Die Serie, die man vermisst. Der Kontakt, der abbricht. Die Schuhe, die so gut zu dem Outfit passen würden, hätte man sie mit in Amerika.

Ich weiß, was ich zurücklasse und was ich vielleicht für immer hinter mir lasse. Und genau das ist es, was dieses Auslandsjahr so unbeschreiblich spannend macht. Wenn du weißt, dass es nicht um 1 Jahr geht. Sondern um Veränderungen, die dein ganzes Leben verändern, weil du dich selbst verändern wirst.

Wer weiß, was da auf einen zukommt. Für mich ist das einfach nur spannend. Und ich kann sagen, dass mich jeder wehmütige Gedanke noch ein bisschen neugieriger macht. Die Lieblingsserie bleibt hier, aber wer weiß schon, welches Meisterwerk in den USA meine Abende füllen wird?

Irre. Irre. Irre. – denkt man sich. Und merkt einmal mehr, dass das Leben umwerfend ist. Einfach so wie es war, wie es jetzt ist und wie es sein wird.

Julietta.