E in Europe

Was haben wir gerade für einen tollen Beitrag geschrieben. Und dann war er weg. Laptop hatte keine Lust mehr. Und ich wollte schlafen gehen. Aber. Ich habe doch große Lust, etwas zu teilen. Liest den Blog noch jemand? Vermutlich nicht. Und mit den USA hat das ganze sowieso das geringste zu tun. Aber ich habe etwas wiederentdeckt. Wanderlust. Und zwar SOOOOOO richtig. Nicht nur so Städtetrips-sind-cool und Studenten-fahren-50x-pro-Jahr-in-den-Urlaub. Nö. Ich habe wieder richtig extremen Hunger nach der Welt und will mit mindestens genau solchem Drang die Welt und ihre Menschen entdecken, wie vor meinem ersten Auslandsjahr in den USA. Ein Jahr woanders reicht nun eben doch nicht. Und das merkt man eben wieder besonders, wenn man Zeit mit Menschen verbringt, die selbst überall auf der Welt gelebt haben. Und die einen über alle Maßen inspirieren. Und mit denen man sich überdies SO unendlich wohl fühlt, dass man auf einmal wieder weiß, dass man selbst eben doch genug ist. Genug für das Leben und die Welt. Genug für Abenteuer. Genug, so wie man ist. Und so wie man ist, als abenteuerliche Seele gewissermaßen, zieht es einen dann wieder heraus in die Welt. Um zu entdecken. Um Menschen kennen zu lernen. Um Freundschaften zu schließen. Um in einem Moment des Erlebens bereits zu wissen: Das. Hier. Jetzt. Das ist das pure Glück.

Vor wenigen Tagen hatte ich einen dieser Momente. Ich schwamm im Mittelmeer, alleine. A. wartete am Strand auf mich. Und völlig unverhofft war es da: das pure vollkommene Glück. Und ich musste lachen. So laut und so herzlich. Ich wusste überhaupt nicht, wohin mit meinem Glück. Ich wusste nicht, wie ich A. erklären sollte, was dort im Wasser mit mir passiert war. Es war der perfekte Moment. Der Gedanke daran lässt mich selbst beim Schreiben wieder auflachen. Laut.

Aber von vorne: vor wenigen Wochen saß ich mit meinem Mitbewohner auf unserer durchaus dekadenten Studentenwohnheim-Dachterrasse. Und hatte, wie immer, Liebeskummer. Weil man dem Subjekt der Begierde aber leider auch nicht mehr so locker-flockig schreiben kann und möchte, sucht man sich in seiner Handy-Kontaktliste so seine Alternativen, um sich abzulenken, während ER nicht schreibt. Man kennt das. Und da ich auch schon 2 Gläser Wein getrunken hatte, erschien es mir keine schlechte Idee, mit E. aus den USA doch mal Kontakt aufzunehmen. „Hi, how are you?“ – ebenso einfallslos wie unverfänglich. Und ich bekam prompt eine Antwort. Mit dem Hinweis, dass er bald auf Ibiza sein würde. Ob ich kommen wolle. Also… vielleicht. Tatsächlich kostete es uns ein ganzes Wochenende herauszufinden, ob dieses Treffen auf Ibiza stattfinden sollte. Richtig oder falsch? Abenteuer oder zu großes Risiko? Bezahle ich den Semesterbeitrag oder den Flug auf die Insel? … Die letzte Frage war jedenfalls schnell geklärt. „I will cover obviously“, entkräftete er meine finanziellen Zweifel.

Nun mal ehrlich. Wenn man als Anfang 20jährige Studentin eine Nacht auf Ibiza angeboten bekommt, inklusive Hotel und Flugtickets – würde wirklich jemand ablehnen?

Man könnte zumindest noch mal darüber nachdenken. Denn als ich in Ibiza aus dem Flieger stieg, war ich keineswegs hocherfreut. BIST – DU – EIGENTLICH – GEISTESKRANK ?!, ging so bei mir im Kopf vor. Amici, ich hatte dieses Jahr wirklich wenig Glück mit meinen Kurztrips. Nächtliche Busfahrt nach Köln mit einem frischgebackenen Mörder. Absolutes Beziehungsfiasko in Kopenhagen. Terroranschlag in London. Es hätte nicht unbedingt noch die Risiken gebraucht, die einfach da sind, wenn man jemanden in einem anderen Land trifft. Jemanden, den man vor 2 Jahren kennengelernt hat. In den USA. Betrunken. In einem Casino. Mit dem man niemals wieder Kontakt hatte. Von dem man gar nicht so richtig weiß, wie er mit vollem Namen heißt, was er arbeitet und wo er herkommt. Ich denke, meine Zweifel am Flughafen waren berechtigt.

Aber die Luft. Der Geruch Ibizas. Ich fühlte mich sofort 4 Jahre zurückversetzt. In den Sommer 2013, in dem ich 5 Wochen lang auf dieser wunderbaren Insel als Praktikantin arbeitete. Ich hatte nie solche Liebesgefühle, wie meine gute Freundin und Mit-Praktikantin Jessi. Und wollte auch nie dringend zurück. Aber in dem Moment, als ich Ibiza wieder riechen und fühlen durfte, ich fühlte mich sofort zu Hause.

Schließlich kam ich in Ibiza Stadt an, an der Adresse, die E. mir geschickt hatte und klopfte an der Tür des Apartments. Dann lehnte ich mich ganz casual gegen das Treppengeländer, um möglichst entspannt auszusehen. Es war ja nicht nur ich, die ein Risiko eingegangen war. Und er öffnete. Müde – es war gerade erst um 8. Aber glücklich.

Was dann geschah… wer will das lesen? Und erst recht: wer will versuchen, davon zu schreiben? Es wäre ein kläglicher Versuch, jeden einzelnen Moment zu beschreiben, der zu dieser Vollkommenheit wurde, die ich fühlen durfte. Es war, letztendlich, nur ein Tag. Dann eine Nacht und noch ein Tag. Es passierte nichts unendlich aufregendes. Wir genossen das Leben. In allem, was wir taten. Und ‚wir‘, das waren nicht nur E. und ich. Das war außerdem first und foremost auch A., mit dem wir zusammen wohnten. Ich möchte hier eine Behauptung wagen: Ich habe niemals zuvor jemanden kennen gelernt, der mir mit so viel Güte und Herzenswärme begegnet ist. Ich bin so dankbar – vielleicht dafür mehr als für alles andere, was mir wundervolles auf dieser Reise passiert ist – dass ich A. kennen lernen durfte.

Ich wurde anderen großartigen Menschen vorgestellt. An traumhaften Orten. Wir lachten und diskutierten Politik, Leben, Ideen, die Welt. Wir teilten Erinnerungen und Träume und Erfahrungen und Leidenschaften. Wir aßen und tranken Champagner. 12 Uhr mittags. Leerten eine Flasche Wein zwei Stunden später am Strand. Wir schwammen und wir kletterten und wir redeten. Wir genossen das Leben, so wie es war. Es war perfekt. Wir waren perfekt. Ich war perfekt.

Wie oft fühlt man sich im Leben so, als wäre man selbst, einfach so wie man ist, wirklich vollkommen? Wir versuchen vielleicht alle, uns so zu fühlen. Mit Yoga und Meditation, mit Make Up und High Heels, mit schönen Worten, die wir für uns selbst finden… aber wie oft funktioniert das wirklich? E. gab mir in diesen zwei Tagen dieses wunderschöne Geschenk. Dass ich einfach ich sein durfte. Ich durfte sagen, was ich wollte. Es war nie etwas falsches. Ich durfte anziehen, was ich wollte. Es war immer passend. Ich durfte ungeschminkt sein und meine Haare seit 11 Jahren (!!) das erste Mal so lassen, wie sie waren. Völlig durcheinander und lockig und … viel. So, wie ich war und so, wie wir zusammen waren, war alles richtig und gut.

Natürlich ‚dürfen‘ wir so immer sein und sicherlich würde man immer irgendwie von seiner Umwelt akzeptiert. Aber es war und ist etwas ganz besonderes, mit Menschen zusammen zu sitzen, die man kaum kennt, und die ein ehrliches und tiefes Interesse für einen haben. Ein Interesse, das nichts mit Achievements und Leistungen zu tun hat. Auch nichts mit Aussehen und Style. Wir alle waren einfach wir. Ehrlich und leicht und offen.

All diese Dankbarkeit und dieses Glück überkam mich in meinen paar Momenten der Reflexion am Meer. Möglicherweise taten der Mojito und die pralle Sonne ihr übriges.

Diese zwei Tage haben mir unendlich viel gegeben. Zunächst meine Abenteuerlust. Denn es geht nicht immer alles schief. Egal, wie lange nichts läuft und sich die ganze Welt gegen einen gerichtet zu haben scheint, es kommt wieder anders. Unverhofft. Irgendwann schwimmt man im Meer und kann nicht aufhören zu lachen. Weil das Leben so schön und das Universum so vollkommen ist. Weil Menschen so gut sind. Weil man einfach, so wie man ist, ein strahlender und wichtiger Teil vom Ganzen ist. Irgendwann kommt diese Erkenntnis wieder.

Ich bin ein Risiko dafür eingegangen und ich habe einen Drang, noch mehr zu erleben. Mehr Risiken einzugehen. Mehr zu erfahren von der Welt. Ich möchte wissen, was passiert. Was Menschen in unserer Zeit beschäftigt. Ich möchte erfahren und teilen und erleben. Und dieses erneute Aufkeimen verdanke ich E. Der irgendwann einfach so neben mir lief (no joke. Er tauchte damals einfach neben mir auf und sagte ‚I’m E. Who are you?‘) und mir so viel gegeben hat, wie ich es nie erwartet hätte.

Möglicherweise sehe ich E. und A. nie wieder. Aber ich bin mir sicher, dass ich sie auf jede weite Reise und auf jedes Abenteuer im Herzen mitnehmen werde. Als nächstes im Februar 2018. Dann geht es nach Israel. 2 Monate. So lange wie möglich zwischen den Vorlesungszeiten. Denn eines habe ich mir vorgenommen, als das Flugzeug auf Ibiza Richtung Köln startete: If we ever meet again, I will make sure you will be impressed.

Deswegen wird in Zukunft wieder mehr getraveled. Mit Abenteuern. Nicht nur in the US.

lots of light from Cologne.

Julietta